Letzte Aktualisierung:
Nach jahrelangen
Auseinandersetzungen hat eine Fristenregelung das restriktive
Abtreibungsgesetz abgelöst. Sie ist am 15. Juli 2007 in
Kraft getreten
Geschichtliche Entwicklung
Das neue Gesetz erlaubt den Abbruch einer Schwangerschaft bis zur 10.
Schwangerschaftswoche (ab dem ersten Tag der letzten Periode) auf
blossen Antrag der Frau. Mädchen unter 16 brauchen die Zustimmung des
gesetzlichen Vertreters. Nach der ersten Arztkonsultation, bei welcher
die Frau Beratung und alle Informationen erhalten muss, ist eine Bedenkzeit von 3 Tagen
einzuhalten, bevor der Eingriff
in einem Spital oder einer zugelassenen Privatklinik durchgeführt werden darf.
Die öffentlichen Spitäler sind verpflichtet, Schwangerschaftsabbrüche
zu ermöglichen.
Bis zur 12. Woche ist der Abbruch aus medizinischen und psychologischen
Gründen und nach Vergewaltigung und Inzest gestattet. Danach nur noch
aus streng medizinischen Gründen oder wegen Fehlbildung des
Fötus.
Was in der Schweiz seit 1988 nicht mehr vorgekommen ist, passierte auch nach 2000 noch in Portugal: Immer wieder kamen Frauen wegen illegaler Abtreibung vor Gericht. Das portugiesische Abtreibungsgesetz von 1984 liess nur eine medizinische Indikation für den legalen Abbruch einer Schwangerschaft zu. Das Gesetz wurde in der Praxis zudem sehr restriktiv ausgelegt.
Im Februar 2004 standen in Aveiro, im konservativen Norden Portugals, 17 Personen wegen illegaler Abtreibung vor Gericht, 7 Frauen, ihre Partner, ein Arzt und Gehilfen. Wie bereits im Monsterprozess von Maia im Januar 2002 waren es Frauen aus der sozialen Unterschicht. Frauen die sich’s leisten können, umgehen das restriktive Abtreibungsgesetz indem sie ins benachbarte Spanien zum Schwangerschaftsabbruch fahren. Am 17. Februar sind alle Angeklagten freigesprochen worden!
Am 5. Juli 2006 hat jedoch das Obergericht in zweiter Instanz den Freispruch widerrufen. Der beteiligte Arzt wurde zu drei Jahren und 8 Monaten Gefängnis verurteilt, die Krankenschwester zu 16 Monaten bedingt und drei Frauen zu einer bedingten Gefängnisstrafe von 6 Monaten. Das Urteil hat die Liberalisierungs-Befürworter mobilisiert und die öffentliche Debatte neu lanciert.
Am 18. Januar 2002 ist in Maia (Nordportugal) ein Prozess gegen 43 Frauen und Männer zu Ende gegangen, die wegen illegaler Abtreibung angeklagt waren. Die Hauptangeschuldigte, eine Hebamme, wurde zu einer Haftstrafe von achteinhalb Jahren verurteilt. Sie soll seit 1980 100 Frauen geholfen haben. Der Fall war aus reinem Zufall bekannt geworden.
Von den 17 angeklagten Frauen haben nur zwei eine Abtreibung gestanden. Eine von ihnen wurde zu vier Monaten Gefängnis verurteilt, bei der anderen war die Tat verjährt. Fast alle diese Frauen stammten aus ärmlichen Verhältnissen. Bei der Verurteilten handelte es sich um eine 20-jährige unverheiratete, arbeitslose Mutter. Die 15 anderen Frauen wurden mangels Beweisen frei gesprochen. Sechs weitere Beteiligte wurden zu Haftstrafen zwischen 45 Tagen und 5 Monaten verurteilt.
In den Spitälern werden pro Jahr nur einige Hundert therapeutische
Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen. Die illegalen, oft unfachgemäss
durchgeführten Abtreibungen werden auf etwa 20’000 jährlich geschätzt.
Tausende Frauen landen anschliessend mit Komplikationen in den Spitälern.
Einige sterben an den Folgen. Ende 2006 erregte ein besonders
tragischer Fall die Öffentlichkeit, als ein 14-jähriges Mädchen starb,
nachdem es eine vielfache Überdosis des abtreibend wirkenden Medikamentes
Cytotec geschluckt hatte.
Frauen, die es sich leisten können,
reisen zum Schwangerschaftsabbruch nach Spanien, Holland oder England.
2015
Einschränkungen der Fristenregelung abgewehrt
Im Februar 2015 reichte eine “Föderation für das Leben”
(Zusammenschluss von katholischen und evangelikalen Organisationen) eine
Volksinitiative mit 48’000 Unterschriften ein, die verschiedene
Verschärfungen der Abtreibungsgesetzgebung verlangte. U.a. wollte sie
die Übernahme der Kosten durch die Sozialversicherung abschaffen, eine
obligatorische, tendenziöse Beratung einführen, dem Ungeborenen ein
Recht auf Geborenwerden einräumen und das Recht der Ärzte auf
Gewissensverweigerung ausdehnen.
Im Juli, kurz vor Ende der Legislatur, verabschiedete die konservative
Mehrheit im Parlament eine Gesetzesänderung, die diesen Forderungen
entgegenkam.
Bei den Wahlen vom 4.Oktober hat die konservative Allianz die Mehrheit
verloren, die Linke konnte die Regierung bilden. In der Folge hat das
Parlament am 20. November, mit neuen Mehrheiten, die vorher
beschlossenen Restriktionen wieder aufgehoben.
23. Februar 2010
Verfassungsgericht : Fristenregelung verletzt die Verfassung
nicht
Mit 7 zu 5 Stimmen hat das Verfassungsgericht entschieden, die Fristenregelung sei verfassungskonform. Der Fötus habe kein individuelles Recht auf Leben. Mit der obligatorischen Beratung und der Bedenkzeit von 3 Tagen habe der Staat seiner Pflicht, vorgeburtliches Leben zu schützen, genügend Rechnung getragen. Die Fristenregelung nehme eine Güterabwägung vor zwischen Lebensschutz und dem Grundrecht der Frau auf einen autonomen Entscheid und Selbstbestimmung.
8. März / 15. Juli 2007
Fristenregelung vom Parlament beschlossen
Bereits kurz nach der Volksabstimmung von Mitte Februar hat das Parlament einer Fristenregelung zugestimmt. Obwohl 33 ParlamentarierInnen dagegen eine Beschwerde vor dem Verfassungsgericht einreichten, wurde es am 15. Juli in Kraft gesetzt.
13. Februar 2007
Klares Ja zur Fristenregelung
Mit nahezu 60% Ja-Stimmen haben die Portugiesen am 11. Februar eine
Revision des Abtreibungsrechtes im Sinne einer Fristenregelung
gebilligt. Da eine Stimmbeteilung von 50% nicht erreicht wurde (sie
betrug 43,6%, immerhin 12% mehr als bei einer ähnlichen
Referendumsabstimmung 1998, als eine Fristenregelung noch von 51% der
Stimmenden abgelehnt wurde), ist das Ergebnis für das Parlament nicht
bindend. Trotzdem will die Regierung dem Parlament, wo sie über eine
komfortable Mehrheit verfügt, rasch eine entsprechende Gesetzesvorlage
unterbreiten.
Nach einem von den Gegnern und der katholischen Kirche mit harten
Bandagen und grossem finanziellem Einsatz geführten Abstimmungskampf
wurde das Ergebnis von den Befürwortern als grosser Sieg gefeiert.
30. November 2006
Volksabstimmung über Fristenregelung am 11. Februar
Ende Oktober hat das portugiesische Parlament mit grossem Mehr beschlossen, die Frage, ob der Schwangerschaftsabbruch in den ersten 10 Wochen straflos bleiben soll, einer Volksabstimmung zu unterbreiten. Die Kommunisten stimmten dagegen, weil sie es vorgezogen hätten, das Parlament über das Gesetz entscheiden zu lassen. Staatspräsident Cavaco Silva hat nun die Abstimmung auf den 11. Februar angesetzt. Portugal ist eines der wenigen Länder Europas, das noch ein restriktives Abtreibungsgesetz hat. Gemäss der neuesten Meinungsumfrage würde eine knappe Mehrheit der Bevölkerung der Gesetzesänderung zustimmen.
5 Juli 2006
Volksabstimmung im Januar 2007?
Die sozialistische Regierung Portugals beabsichtigt, dem Parlament im September den Vorschlag für ein Referendum über eine Fristenregelung erneut zu unterbreiten. Die Volksabstimmung könnte im Januar 2007 stattfinden. Das zweit-instanzliche Urteil im Prozess von Aveiro hat die öffentliche Debatte neu angeheizt. Die Befürworter des Selbstentscheidungsrechts der Frau (Kommunisten, Gewerkschaften, Frauenorganisationen usw.) haben eine Kampagne gestartet, um das Parlament dazu zu bringen, in eigener Kompetenz zu legiferieren, ohne Volksabstimmung.
21. April 2005
Bald Abstimmung über Fristenregelung in Portugal?
Das portugiesische Parlament hat einen Antrag gutgeheissen, das Volk über eine Fristenregelung abstimmen zu lassen. Danach würde der Entscheid über einen Schwangerschaftsabbruch in den ersten 10 Wochen bei der Frau liegen. Das Datum der Abstimmung ist noch offen, dürfte aber auf frühestens Ende 2006 angesetzt werden. Die kommunistische Partei hätte lieber das Parlament über die Gesetzesänderung beschliessen lassen.
22. Februar 2005
Neuer Premier Minister verspricht Abstimmung über Fristenregelung
Nach den Wahlen vom 20. Februar versprach der designierte Ministerpräsident, Jose Socrates von der siegreichen sozialistischen Partei, er werde dem Volk so rasch als möglich eine Revision des restriktiven Abtreibungsgesetzes nach dem Modell der Fristenregelung zur Abstimmung unterbreiten. Eine solche Regelung war 1998 knapp verworfen worden. Neuere Meinungsumfragen in Portugal ergaben eine klare Mehrheit für eine liberale Neuregelung der Abtreibung.
2. September 2004
Mit Kriegsschiffen gegen Women on Waves
Die konservative portugiesische Regierung hat dem Schiff von
Women on Waves am 27. August die
Landung in Portugal untersagt, mit der Begründung, sie gefährdeten die
Sicherheit des Landes und die öffentliche Gesundheit. Seither wird das
holländische Boot vor der portugiesischen Küste von zwei Kriegsschiffen
bewacht. Women on Waves wollen das Verbot gerichtlich anfechten.
(Am 10. September ist das Schiff nach Holland
zurückgefahren. Women on Waves werden erneut nach Portugal fahren, sobald
sie vor Gericht gewonnen haben werden.)
Auf dem Boot befindet sich eine Klinik, die dafür ausgerüstet ist,
medikamentöse Schwangerschaftsabbrüche mit Mifegyne (RU 486) auf
internationalen Gewässern anzubieten, wo holländisches Gesetz anwendbar
ist. An Land wird nur beraten, informiert und diskutiert. Das Boot hat in
vergangenen Jahren bereits in Irland und Polen angelegt.
In Portugal gilt ein sehr restriktives
Abtreibungsgesetz. Dieses Gesetz, nicht Women on Waves gefährdet die
öffentliche Gesundheit in Portugal, wo noch heute Frauen an den Folgen
illegaler Abtreibungen sterben. Laut Meinungsumfragen befürwortet eine
Mehrheit der Bevölkerung eine Lockerung des Gesetzes.
3.3.2004
Neuer Anlauf für Fristenregelung gescheitert
Mit knapper Mehrheit hat es die portugiesische Abgeordnetenkammer abgelehnt auf einen Gesetzesentwurf der Ratslinken für eine Fristenregelung einzutreten. Ebenso wurde ein Antrag abgelehnt, die Frage des Schwangerschaftsabbruchs dem Volk zur Abstimmung zu unterbreiten. Einige Parlamentarier der Sozialdemokratischen Partei, die zur Mitte-Rechts Regierung gehört, befürworteten zwar die Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs, hielten sich aber an die Parteiparole und stimmten gegen die Anträge.
8.2.2004
Abtreibungsdebatte erneut entbrannt
Der Prozess von Aveiro hat die Abtreibungsdebatte im Land neu entfacht. Bereits
wurden dem Parlament 121’000 Unterschriften für ein Referendum zugunsten einer
Fristenregelung eingereicht. Nötig wären 75’000. Eine Petition der
Gegenseite konnte 200’000 Unterschriften auf sich vereinigen. Gemäss einer Meinungsumfrage würden
aber 79% der Bevölkerung der Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs zustimmen. Zum ersten Mal
sprechen sich auch Teile der konservativen Regierungspartei PSD für
eine Lockerung des Gesetzes aus. Sogar der Bischof von Oporto, Armindo
Lopes Coelho, erklärte, Abtreibung sollte nicht bestraft, sondern
die sozialen Bedingungen für arme Familien sollten verbessert werden.
Premierminister Barroso will jedoch in der bis 2006 laufenden Legislatur
keine Abstimmung.
Im vergangenen Jahr mussten sich 11’000 Frauen wegen Komplikationen aus
illegalen Pfuscherabtreibungen in Spitalbehandlung begeben. Fünf Frauen
starben.
1.11.2003
Referendum für eine Fristenregelung gefordert
Das Frauennetz "Rede Feminista" hat mit der Unterschriftensammlung für ein Referendum zur Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs in den ersten 10 Wochen begonnen. Nötig sind 75’000 Unterschriften. Neben Polen und Irland ist Portugal das einzige grössere Land Europas wo noch ein sehr strenges Abtreibungsgesetz gilt.
28.6.1998
Fristenregelung vom Volk knapp verworfen
Bei einer miserablen Stimmbeteiligung von bloss 31% wurde eine Fristenregelung in der Referendumsabstimmung vom 28. Juni knapp abgelehnt (51% Nein). Nach mehreren gescheiterten Anläufen hatte das Parlament im Februar eine Fristenregelung gutgeheissen, jedoch beschlossen, sie dem Volk zu unterbreiten. Daraufhin zog die Regierung die Gesetzesvorlage zurück, obwohl das Abstimmungsergebnis nicht bindend war.