Abtreibung – Schwangerschaftsabbruch: Für das Recht auf einen freien Entscheid

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Letzte Aktualisierung
08.06.2005

 

 

 

 

 

 

Aus: SVSS-RUNDSCHAU Nr. 60, Februar 2000

Scharfe Kritik an der Initiative "Für Mutter und Kind" [Die Initiative wurde am 2.6.2002 mit 82% Nein-Stimmen vom Volk abgelehnt]

Nein zur Intoleranz !

Die Schweiz. Vereinigung für Straflosigkeit des Schwangerschaftsabbruchs SVSS kritisiert aufs Schärfste den irreführenden Titel der Initiative "Für Mutter und Kind" und lehnt den extremen Vorstoss entschieden ab. Sie fordert das Eidgenössische Parlament auf, ungeachtet dieser verfehlten Initiative ohne weitere Verzögerungen die Fristenregelung, die vom Nationalrat bereits gutgeheissen wurde, zu verabschieden.

Am 19. November 1999 wurde die Volksinitiative "Für Mutter und Kind" mit 105’000 Unterschriften eingereicht. Am 2. Juni 1998 ist sie lanciert worden. Grossmaulig verkündeten die Initiantinnen und Initianten damals, sie wollten innert vier Monaten 120-180’000 Unterschriften zusammenbringen. Trotz tatkräftiger Unterstützung durch einzelne katholische Kirchgemeinden, mussten sie aber die ganze zur Verfügung stehende Frist von 18 Monaten ausnutzen. Offenbar war es doch recht harzig, genügend Stimmberechtigte hinter dieses Volksbegehren zu scharen.

Kein Gegenvorschlag !

Die Initiative sei ein "Gegenvorschlag" zur Fristenregelung, die vor dem Parlament liegt, erklärten die Initiant/innen. Unter Gegenvorschlag versteht man im Allgemeinen eine Kompromisslösung, die einem als teilweise berechtigt, aber zu weit gehend empfundenen Volksbegehren gegenübergestellt wird.

Hier geht es um das Gegenteil: Dem eingehend diskutierten und durch ein breites Vernehmlassungsverfahren abgestützten Kompromiss der Fristenregelung wird ein absolut extremes Volksbegehren nachgeschoben, dessen wahres Ziel ein Totalverbot des Schwangerschaftsabbruchs sowie die Kriminalisierung und Bestrafung aller Beteiligten ist.

Weder neu noch innovativ

"Neu und innovativ" sei ihre Initiative, verkündeten die Initiant/innen. Neu ist nur ihr Extremismus. Es handelt sich um eine Neuauflage, in noch extremerer Form, der Initiative "für das Recht auf Leben", die 1985 von 70 Prozent der Stimmenden zurückgewiesen wurde: Im Gegensatz zum damaligen Volksbegehren umschreibt die neue Initiative das totale Abtreibungsverbot konkret und lässt keinen Spielraum für weichere Interpretationen. Die Annahme dieser Initiative würde uns um 100 Jahre zurückwerfen.

Irreführend

Mit der Forderung, Müttern in einer Notlage sei die erforderliche Hilfe zu gewähren, wird der Initiative ein ansprechendes Deckmäntelchen übergestülpt. Dieser Teil der Initiative entpuppt sich aber als Schaumschlägerei: Er bringt nichts Neues. In Artikel 12 der neuen Bundesverfassung ist nämlich bereits ein Grundrecht auf Hilfe in Notlagen verankert. Jede notleidende Mutter kann sich an die Sozialdienste ihrer Gemeinde wenden und hat Anspruch auf Unterstützung. Ferner haben die Kantone aufgrund eines Bundesgesetzes aus dem Jahr 1981 längst Beratungsstellen eingerichtet, wo schwangere Frauen unentgeltlich Beratung und Hilfe beanspruchen können.

Almosen statt Sozialhilfe?

Die Initianten gehen davon aus, dass sich von den jährlich etwa 12’000 Frauen, die eine Schwangerschaft abbrechen, 3000 in einer materiellen Notlage befinden. Diesen wollen sie mit je 6’600 Franken (550 Franken pro Monat während eines Jahres) helfen. Die Gesamtsumme von 20 Mio. Franken soll auf privater Basis gesammelt werden. Weshalb es für dieses Vorhaben eine kostspielige Volksinitiative braucht, bleibt allerdings schleierhaft. Eine grosszügige Spende an eines der bestehenden Hilfswerke für die Hilfe an Mütter im In- oder Ausland wäre effizienter gewesen. Immerhin kostete allein schon die Unterschriftensammlung mehr als eine Million.

Ebenso bleibt die Frage unbeantwortet, wie es nach dem ersten Lebensjahr des Kindes weitergehen soll. Die grossen finanziellen Probleme kommen später. Wenn eine Frau jahrelang an der Armutsgrenze leben muss, ist das eine grosse Belastung. Die direkten Kinderkosten belaufen sich gemäss einer kürzlich im Auftrag des Bundesamtes für Sozialversicherung erstellten Studie bis zur Volljährigkeit des Kindes auf 340’000 Franken.

Dominik Müggler vom Initiativkomitee will den notleidenden Müttern den "Gang zur Fürsorge" ersparen (Schweizerzeit, 30.4.99). An dessen Stelle soll offenbar der Bittgang um ein Almosen bei privaten Hilfsstellen treten … Wenn das Kind ein Jahr alt ist, darf dann die Fürsorge ohnehin übernehmen.

Ein weiteres Problem sind die fehlenden Infrastrukturen, die alleinstehenden und/ oder erwerbstätigen Müttern ein Leben mit dem Kind vereinfachen würden (Krippen, Tagesschulen, Ferienbetreuung etc.). Davon ist in der Initiative nichts zu lesen.

Nicht-materielle Notlagen

Schliesslich wollen die Initiant/innen nicht zur Kenntnis nehmen, dass es viele Notlagen gibt, die eine Frau zum Abbruch einer ungewollten Schwangerschaft bewegen und die nicht mit finanzieller Unterstützung behoben werden können: eine nicht tragfähige Partner-Beziehung; Ausbildungs-, Berufs- oder Lebenspläne, die sich nicht mit einem Kind (im jetzigen Zeitpunkt) vereinbaren lassen; eine psychische Überlastung usw.

Jede Frau, die sich zum Schwangerschaftsabbruch entschliesst, befindet sich nach ihrem subjektiven Empfinden in einer Notlage. Wer, wenn nicht die betroffene Frau selbst sollte befugt sein zu entscheiden, wieviel Not und Selbstaufgabe ihr zuzumuten ist?

Extreme Forderungen

Nur bei akuter, körperlich begründeter Lebensgefahr soll gemäss Initiative ein Schwangerschaftsabbruch legal noch möglich sein. Diese Fälle sind heute äusserst selten. Kein Grund für einen Schwangerschaftsabbruch sollen sein:

  • Selbstmordgefahr
  • Gefährdung der Gesundheit
  • Vergewaltigung
  • Schwere Missbildung des Fötus

Es stimmt nicht, wie das Komitee behauptet, dass bei einer Schwangerschaft "keine bleibenden gesundheitlichen Schäden mehr vorkommen": Malaria, Tuberkulose, Krebs können nicht behandelt werden ohne die Frucht zu schädigen. Herz- und Kreislaufbeschwerden, schwere Rückenleiden oder schlimme Krampfadern usw. können sich verschlimmern.

Es trifft zwar zu, dass nur ein kleiner Teil der Schwangerschaftsabbrüche erfolgt, weil die Schwangerschaft aus einer Vergewaltigung entstand. Aber das Verbot eines Abbruchs in einem solchen Fall – wobei die Frau dann gnädigst bereits den Embryo zur Adoption freigeben darf – zeigt den fanatischen Extremismus dieser Initiative mit aller Deutlichkeit auf.

Kein einziges Land Europas und der westlichen Welt, nicht einmal Irland, kennt ein derart rigoroses Abtreibungsverbot.

Was heisst "Druck ausüben"?

Neu sollen zudem auch jene strafbar werden, die in irgend einer Weise "Druck" auf eine Frau ausüben. Würde sich demnach ein Mann strafbar machen, wenn er seiner Partnerin gesteht, er möchte im jetzigen Moment nicht Vater werden? Oder eine Mutter, die ihrer schwangeren Tochter zu verstehen gibt, dass sie nicht bereit ist, ihren Job aufzugeben um ein zukünftiges Grosskind zu betreuen? Oder ein Arzt, der der Frau erklärt, eine Schwangerschaft und Geburt könnte ihre Gesundheit verschlechtern? Oder eine Sozialarbeiterin, die ihr die Schwierigkeiten, die eine alleinerziehende Mutter erwarten, nicht verschweigt?

Tödliche Auswirkungen

Durch die Rechtsforschung ist erwiesen, dass Verbote noch nie und in keinem Land Abtreibungen zu verhindern vermochten. Sie haben bloss Frauen, die es sich leisten konnten, zu unwürdigen Wanderschaften gezwungen, andere in die Illegalität und in die Hände von Pfuschern getrieben.

Zwei Länder haben vordemonstriert, was passiert, wenn Abtreibungsgesetze massiv verschärft werden: Rumänien 1966-1989 und Polen seit 1993. In beiden Ländern kam es in der Folge zu Todesfällen infolge illegaler Abtreibung, zu Kindstötungen und Kindsaussetzungen, um nur die krassesten Auswirkungen zu nennen. In Rumänien hat der Diktator Ceaucescu 1966 das liberale Abtreibungsgesetz radikal verschärft. Die Todesfälle infolge Abtreibung stiegen von 83 im Jahr 1966 auf 545 im Jahr 1989 an.

Die Erfahrungen der ganzen Welt zeigen, dass nicht Strafparagraphen, sondern nur eine Politik der Prävention auf dem Gebiet der Schwangerschaftsverhütung und der Sexualerziehung die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche reduzieren können.

Die Schwangerschaftsverhütung ist in der Schweiz bereits gut verankert. Trotz einer zunehmend liberalen Praxis ist die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche im internationalen Vergleich entsprechend niedrig. Die Intensivierung der Präventionspolitik wäre in einem Klima der rigorosen Repression und Tabuisierung des Schwangerschaftsabbruchs kaum möglich. Die Initiative "Für Mutter und Kind" würde daher die Prävention behindern.

Verhütung verbieten?

Nach Auffassung der Initianten ist der Embryo ein vollwertiger Mensch von der Befruchtung an. Aufgrund dieser Ideologie müsste die Annahme der Initiative logischerweise sogar zu einem Verbot diverser Verhütungsmethoden führen, die vorwiegend oder nebenbei die Einnistung eines bereits befruchteten Eis in die Gebärmutter verhindern (Spirale, diverse Pillensorten, "Pille für den Morgen danach"). Würden sich Spiralenträgerinnen oder Ärztinnen, die solche Mittel verschreiben, der "Tötung eines ungeborenen Kindes" schuldig machen?

Fehlgeburt als "Tötung"?

Der Initiativtext spricht nicht mehr von "Abtreibung der Frucht", wie das geltende Strafgesetz, sondern von "Tötung des ungeborenen Kindes". Heisst das, dass in Zukunft auch die "fahrlässige" Abtreibung strafbar werden soll? – ein Tatbestand, den es heute nicht gibt.

Bei jeder Fehlgeburt müsste die Ursache gerichtsmedizinisch abgeklärt werden: Bei Risikosport oder ungesunder Lebensweise oder bei einem selbstverschuldeten Unfall könnte die Frau wegen fahrlässiger Tötung verurteilt werden.

Für eine vernünftige Fristenregelung

Per Gesetz möchten die Initiant/innen ihre fundamentalistische Ideologie allen andern aufzwingen. Diese Anmassung ist zurückzuweisen. Der Gedanke eines staatlichen Gebärzwangs – nichts anderes bezweckt ein Totalverbot der Abtreibung – ist absolut unerträglich und unethisch.

Seit bald 7 Jahren liegt vor dem Parlament der Entwurf für eine Fristenregelung, wie sie die grosse Mehrzahl der Länder Europas längst kennt. Sie ist ein vernünftiger Kompromiss, der die Schutzwürdigkeit vorgeburtlichen Lebens anerkennt und doch den eigenverantwortlichen Gewissensentscheid der Frau in den ersten Monaten der Schwangerschaft respektiert.

 

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