Aus: SVSS-RUNDSCHAU Nr. 56, November 1998
Unlautere Methoden der Abtreibungsgegner
Irreführung und Demagogie
Mit einer neuen Volksinitiative unter dem
irreführenden Namen "Für Mutter und Kind" wollen Abtreibungsgegner gegen
die Einführung der Fristenregelung in der Schweiz ankämpfen. Das
eigentliche Ziel der Initiative ist nicht Hilfe an Mütter in Not (diese
haben in der Schweiz längst Anspruch auf Sozialhilfe), sondern ein
Totalverbot des Schwangerschaftsabbruchs, sogar nach einer Vergewaltigung
– unter völliger Missachtung der Menschenwürde der Frau.
In ihren
Methoden sind die Initiant/innen nicht zimperlich. Ende Juni versandten
sie an alle 3,5 Mio Haushalte in der Schweiz eine farbenprächtige
Propagandaschrift mit dem Zweck, Emotionen zu schüren. Kostenpunkt:
700’000 Franken.
Irreführende Propaganda
Irreführung 1: Auf dem Titelblatt
prangte ein Fötenbild, entsprechend dem Entwicklungsstadium im 5.
Schwangerschaftsmonat, vergrössert auf die Grösse eines Neugeborenen.
Darüber der Titel: "Retten Sie 12’000 Kinder pro Jahr!".
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Mit der Fristenregelung (Frist von 14 Wochen) hat dies nichts zu tun.
Die meisten Schwangerschaftsabbrüche werden in den ersten zwei Monaten
durchgeführt, wo der Embryo 5 – 20 mm gross ist und noch kaum
menschliche Gestalt hat. Ausserdem haben Abtreibungsverbote noch nie
Abtreibungen zu verhindern vermocht, sondern Leben und Gesundheit von
Frauen gefährdet.
Irreführung 2:
"Schwangerschaftsabbrüche können schwere Folgen für die Frau haben."
Irreführung 3: Über einem Foto von
Fötenteilen steht die Bildlegende "So werden Kinder in der Schweiz
abgetrieben".
Irreführung 4: "In der Schweiz gibt
es über 90 Beratungs- und Hilfsstellen – wir arbeiten eng mit diesen
Organisationen zusammen."
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Zwei der grössten unter den angegebenen Organisationen, der Schweiz.
Katholische Frauenbund und der Evangelische Frauenbund der Schweiz,
distanzierten sich in der TV-Sendung Lipstick vehement vom
Initiativkomitee. Es gibt keine Zusammenarbeit.
Irreführung 5: "Was kostet die Hilfe
für Mutter und Kind? Wir rechnen mit jährlich 3000 Notsituationen aufgrund
einer Schwangerschaft." Mit 20 Mio Franken pro Jahr wollen die
Initiant/innen diese Notlagen beheben.
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Nicht nur 3000, sondern alle etwa 12’000 Frauen, die jährlich eine
Schwangerschaft abbrechen, befinden sich in einer Notlage, nur ist diese
in den wenigsten Fällen rein finanzieller Natur. Zur Behebung
finanzieller Not wäre zudem eine einmalige Abfindung von
durchschnittlich 6’666 Franken kaum ausreichend – ein Kind kostet die
Eltern bis zu seinem 20. Lebensjahr 340’000 Franken.
Irreführung 6: "Ohne Abtreibung ist
die Krankenkasse günstiger!"
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Die angepriesene Versicherung ist keine Krankenkasse, sondern ein
Verein, dessen Mitglieder freiwillig auf die Bezahlung eines
Schwangerschaftsabbruchs durch die Krankenkasse PKK verzichten.
Allerdings ist eine solche Verzichtserklärung nichtig, weil
Schwangerschaftsabbruch eine gesetzliche Pflichtleistung der
Krankenversicherung ist. Es gibt auch keine Prämienverbilligung. Das
wäre auch kaum zu begründen, denn eine Geburt kommt die Kasse wesentlich
teurer zu stehen als ein Abbruch.
Lüge: "Die Fristenlösung macht
Abtreibungen möglich bis zur Geburt!"
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Bereits heute sind theoretisch Schwangerschaftsabbrüche möglich "bis zur
Geburt". Das kommt aber praktisch nicht vor. Spätabbrüche bis etwa zur
24. Woche werden nur in seltenen, schwerwiegenden Fällen vorgenommen.
Weder irgendeine Frau noch irgendein Arzt macht gern einen solchen
Eingriff. Daran ändert die Fristenregelung nichts; sie verzichtet bloss
für medizinisch gebotene Spätabbrüche auf das Gutachten eines 2. Arztes.
Fachliteratur verfälscht
Auf den Internet-Seiten der Abtreibungsgegner sind wir – einmal mehr – auf
Halb-, Unwahrheiten und krasse Verdrehungen wissenschaftlicher Arbeiten
gestossen:
"Gemäss einer amerikanischen Studie erklärten 94 % der befragten Frauen,
dass sie die Abtreibung bereuen. Die meisten davon haben
Verarbeitungsprobleme und leiden unter vielgestaltigen Krankheitsbildern."
- Bei dieser "Studie" handelt es sich um eine Befragung von 260 Mitgliedern
der Anti-Abtreibungsgruppe WEBA (Women exploited by Abortion), also um
Frauen, die sich gerade deshalb zusammengefunden haben, weil sie – aus
welchen Gründen auch immer – Probleme haben. Verschwiegen wird, dass
repräsentative Untersuchungen über tausende von Frauen bei jenen, die
einen Abbruch hatten, nicht mehr psychische Probleme fanden als bei Frauen
ohne Abbruch.
Quellen, u.a.:
Gilchrist AC. et al. "Termination
of Pregnancy and Psychiatric Morbidity" Brit.J.Psych. 167:243-48, 1995
Russo NF, Dabul AJ. "The
Relationship of Abortion to Well-Being", Prof. Psychol: Research and
Practice 28:23-31, 1997
"Über physische … Abtreibungsfolgen (… Unfruchtbarkeit, Frühgeburt bei
späteren Schwangerschaften usw.) liegen medizinische Statistiken vor."
Verwiesen wird auf die Internet-Seite des Elliot Institute, einer
Institution der amerikanischen Abtreibungsgegner. Dort wird behauptet,
Abtreibung führe zu Komplikationen bei späteren Schwangerschaften und zu
vermehrten Missbildungen beim Kind. Als Quelle wird eine Publikation von Hogue, Cates und Tietze angegeben.
- In Wirklichkeit kommen Hogue, Cates und Tietze in ihrer Literaturübersicht
zum Schluss: "Ein Schwangerschaftsabbruch mit der Absaugmethode führt
nicht zu einem erhöhten Risiko in der nächsten Schwangerschaft."
Das Elliot Institut behauptet weiter:
"Abtreibung erhöht signifikant die
Gefahr späterer Eileiterschwangerschaften." Als Quelle wird Janet Daling
angegeben.
- In Wirklichkeit kommt Daling in ihrer Studie zum Schluss: "Unsere
Resultate weisen darauf hin, dass legale Schwangerschaftsabbrüche das
Risiko für spätere Eileiterschwangerschaften nicht wesentlich erhöhen.
Praktisch kein erhöhtes Risiko wurde bei Frauen mit nur einem früheren
Abbruch gefunden." Ihr Befund stimmt mit anderen Studien überein.
Das Elliot Institut weiter:
"Etwa 10 % der Frauen erleiden bei einer
Abtreibung sofortige Komplikationen, wovon etwa ein Fünftel (2 %) als
lebensbedrohlich betrachtet werden." Quelle: P.I. Frank.
- In Wirklichkeit schreibt Frank in seiner Studie über 6’100 Frauen: "Ernste
Komplikationen, wie wir sie definiert haben, kamen bei 2,1 % der Frauen
vor. Allerdings kann man argumentieren, ein Blutverlust von 500 ml sei
nicht eine ernste Komplikation. Viele Blutspender geben routinemässig
soviel Blut ohne irgendwelche Probleme. Wenn nur die Notwendigkeit einer
Bluttransfusion in Betracht gezogen wird, reduziert sich das Risiko
ernster Komplikationen auf 0,8%." Von "lebensbedrohlich" steht nichts in
der Publikation von Frank. Er bezeichnet den Schwangerschaftsabbruch in
seiner Schlussfolgerung vielmehr als "relativ sicheren Eingriff mit einer
niedrigen Rate ernster Folgen".