Abtreibung – Schwangerschaftsabbruch: Für das Recht auf einen freien Entscheid |
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Schwangerschaftsabbruch mit Mifepriston (Mifegyne) und Misoprostol in Österreich – erste ErfahrungenPeter Safar, Christian Fiala, Abteilung für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Allgemein öffentliches Krankenhaus Korneuburg / Österreich (Seit Juni 2003 wird Mifegyne im Gynmed Ambulatorium in Wien angeboten: www.gynmed.at) Aus: FRAUENARZT 41 (2000) 325-330, Nr. 3. Mit freundlicher Genehmigung der Autoren und des Verlags. Zusammenfassung :Der Schwangeschaftsabbruch ist in Österreich seit Januar 1974 strafrei, wenn er innerhalb der ersten drei Monate von einem Arzt nach vorhergehender Beratung durchgeführt wird. Bisher stand lediglich der chirurgische Schwangerschaftsabbruch mittels (Saug-) Curettage, meistens in Allgemeinnarkose zur Verfügung. Seit Januar 1999 wenden wir an der Abteilung für Frauenheilkunde und Geburtshilfe des A.ö. Krankenhauses Korneuburg in Niederösterreich auch Mifepriston (Mifegyne®) in Kombination mit dem Prostaglandin E1 Misoprostol (Cyprostol®/ Cytotec®) an, und es steht den betroffenen Frauen somit auch der medikamentös induzierte Schwangerschaftsabbruch als Alternative zur konventionellen Saugcurettage zur Auswahl. Fragestellung : Methodik : Ergebnisse: Schlußfolgerung: EinleitungBis Herbst 1997 stellte die Firma Russel-Uclav in Frankreich, eine Tochterfirma der Hoechst AG, die Substanz Mifepriston (RU 38486 nach einer internen Numerierung) her. Seither ist die Firma Exelgyn, Paris, im Besitz der Rechte. In Deutschland, Österreich und Holland wurde der Vertrieb im Jahr 1999 von der Firma Femagen übernommen. Bis jetzt ist Mifepriston unter dem Handelsnamen Mifegyne® in Frankreich seit 1988, in Großbritannien seit 1991, in Schweden seit 1992 und in China seit 1988 zugelassen. (1) Auch in den USA gibt es erste Erfahrungen (2) und eine Zulassung steht unmittelbar bevor. Das Präparat wird in Kombination mit einem Prostaglandin E 1 (Misoprostol oder Gemeprost) angewandt. (3,4) Damit haben nach Angaben des Herstellers bisher über 500.000 Frauen in Europa eine Schwangerschaft abgebrochen. Im Rahmen der gegenseitigen Anerkennung wurde Mifepriston im Sommer 1999 in fast allen übrigen europäischen Ländern für folgende Indikationen zugelassen (5):
Weitere teilweise vielversprechende Anwendungsgebiete befinden sich im Stadium klinischer Studien. (6) Im A.ö. Krankenhaus Korneuburg bei Wien, führen wir seit Januar 1999 Schwangerschaftsabbrüche nach dem in Frankreich gebräuchlichen Schema durch. (1) Das Präparat beziehen wir mittels einer Einfuhrgenehmigung des zuständigen Ministeriums direkt vom Hersteller, da es bis Januar 2000 in Österreich nicht erhältlich war. Auf die Aspekte der Beratung vor und die Betreuung während der Behandlung gehen wir nicht näher ein, da diese bereits publiziert wurden. (7) Pharmakologische AspekteMifepriston ist ein Norethisteron-Derivat mit hohem Antiprogesteroneffekt (fünffach höhere Affinität zum Progesteronrezeptor als Progesteron) und Antiglucocorticoideffekt (dreifach höhere Affinität zum Glucocorticoidrezeptor als Dexametason). Mifepriston wird nach oraler Gabe vollständig im Gastrointerstinaltrakt absorbiert. Nach einer Einzeldosis von 600 Miligramm wird eine maximale Plasmakonzentration von etwa 2 Miligramm pro Liter nach 1.35 Stunden erreicht. Es wird zu 98 % an das Plasmaprotein gebunden, zu einem geringeren Prozentsatz an Erythrozyten und hepatisch metabolisiert. 10 % werden im Urin und 90 % mit den Fäces ausgeschieden. Die Elimination dauert 6 bis 7 Tage, die Halbwertzeit beträgt etwa 18 Stunden. (6,8) Untersuchungen über die Teratogenität sind grundsätzlich schwierig bei einem Präparat das in einem hohen Prozentsatz einen Abort induziert. Diesbezügliche Aussagen basieren deshalb auf der sehr geringen Anzahl an persistierenden, evolutiven und in der Folge ausgetragenen Schwangerschaften. Dabei ergab sich bisher kein Anhaltspunkt für eine Teratogenität in der von uns angewendeten Kombination. Einige wenige Mißbildungen wurden in der Kombination mit Gemeprost beobachtet. (9) BehandlungsschemaFrauen, die den Abbruch einer Schwangerschaft in Erwägung ziehen, melden sich zunächst bei einem eigens dafür eingerichteten Beratungstelefon. Dabei werden zunächst folgende Punkte geklärt:
Wenn diese Fragen geklärt sind, wird das weitere Vorgehen mit der Frau besprochen. Sie erhält Informationen über alle drei Methoden des Schwangerschaftsabbruches (Saugcurettage in Allgemeinnarkose oder in Lokalanästhesie sowie den medikamentösen Abbruch). Die jeweiligen Vor- und Nachteile, einschließlich der Kontraindikationen werden ausführlich diskutiert. Dabei wird besonders auf den größeren Zeitaufwand bei dem medikamentös induzierten Schwangerschaftsabbruch hingewiesen. Dabei ist auch wichtig, falsche Vorstellungen bezüglich des chirurgischen Abbruchs zu korrigieren und auch auf die Möglichkeit der Lokalanästhesie hinzuweisen. Anschließend werden allfällige bisherige Erfahrungen sowie Ängste, Vorbehalte und Phantasien gegenüber den jeweiligen Methoden mit der Frau besprochen. Falls sie sich am Ende des Gesprächs für einen Abbruch mit Mifegyne® entscheidet, erhält sie die drei Termine im Krankenhaus Korneuburg, zu denen sie möglichst eine Vertrauensperson begleiten sollte. Auffallend ist, daß etwa 90 Prozent der Frauen von ihrem Partner begleitet wurden. Wir informieren weiters, daß wir während des gesamten Therapieverlaufes telefonisch jederzeit erreichbar sind und in Notfällen ein Facharzt für Geburtshilfe und Gynäkologie an unserer Abteilung Dienst hat. Falls im Verlauf des Gespräches irgendwelche Zweifel auftreten, wird die Frau an eine der eigens dafür eingerichteten Beratungsstellen verwiesen, die in Österreich flächendeckend vorhanden sind.
Beim ersten Termin im Krankenhaus wird zunächst eine Vaginosonographie durchgeführt, um das Alter der Schwangerschaft zu bestimmen. Ergibt sich dabei, daß die Gestationsdauer bereits 49 Tage überschritten hat, so wird die Frau zu einem chirurgischen Abbruch weiter verwiesen. Falls eine intrauterine Schwangerschaft nicht mit Sicherheit sonographisch diagnostiziert werden kann (Fruchtsack ohne Dottersack oder kein eindeutiger Fruchtsack), weisen wir die Frau auf das sehr geringe Risiko einer extrauterinen Schwangerschaft (etwa ein Promille) und deren Therapie hin. Nun werden alle medizinischen Aspekte der Behandlung mit Mifepriston und Misoprostol ausführlich erörtert. Die Frau erhält alle Informationen auch schriftlich. Wir bestimmen in allen Fällen ß-HCG quantitativ und die Blutgruppe, falls diese nicht bekannt ist. Danach bieten wir den Frauen ein Gespräch über den Entschluß zum Abbruch und die gesamte persönliche Situation an. Ist die Entscheidung zum medikamentös induzierten Abbruch gefallen, unterzeichnet die Frau eine Zustimmungserklärung, nimmt 600 mg Mifepriston (drei Tabletten Mifegyne), und geht nach Hause. Zwei Tage später kommt sie neuerlich in unsere Ambulanz. Etwa fünf Prozent haben den Fruchtsack bereits ausgestoßen und bringen ihn mit. Für sie ist die Behandlung abgeschlossen. Alle anderen Frauen nehmen 400 Microgramm Misoprostol oral (zwei Tabletten Cytotec® in Deutschland und in der Schweiz, Cyprostol® in Österreich). Rhesusnegative Frauen erhalten eine Rhesusinkompatibilitätsprophylaxe. (Diesbezüglich ist anzumerken, daß Studien über die Notwendigkeit dieser Maßnahme in einem so frühen Stadium der Schwangerschaft bis dato noch ausständig sind.) Anschließend bleiben die Frauen etwa drei Stunden in ambulanter Kontrolle. Falls notwendig erhalten sie Analgetika nach einem Dreistufenschema (siehe Tabelle 3) und gelegentlich auch kreislaufstabilisierende Mittel, in seltenen Fällen Antiemetika. Sollten nach dieser Zeit noch keine Blutungen aufgetreten sein, erhalten sie nochmals zwei Tabletten Misoprostol. (1) Anzumerken ist, dass es in dieser Zeit in keinem Fall zu einer medizinischen Notfallsituation gekommen ist.
Sechs bis zwölf Tage später wird der Ausgangsbefund bei einer Kontrolluntersuchung mittels Ultraschall oder ß-HCG überprüft. Als Therapieerfolg werten wir den Abbruch der Schwangerschaft ohne die Notwendigkeit einer chirurgischen Intervention. Eine abgebrochene Schwangerschaft lag vor, wenn wir einen komplett ausgestoßenen Fruchtsack sahen, sonographisch kein Fruchtsack mehr nachweisbar war oder das ß-HCG auf unter 20 Prozent des Ausgangswertes abgefallen war. Falls die Ausstoßung unvollständig war, wurde in Absprache mit der Patientin zunächst eine Hormonentzugsblutung abgewartet. Diese wurde entweder durch Absetzen der Pille nach der 14. Tablette oder durch eine zehntägige Gabe einer Östrogen-Gestagen-Kombination induziert. Eine Kürettage wurde durchgeführt, bei persistierender evolutiver Schwangerschaft, falls die Patientin dies gewünscht hat und bei starker Blutung mit Abfall des Hämoglobins. Selbstverständlich erhalten alle Frauen abschließend nochmals das Angebot zu einem Gespräch, eine psychische Weiterbetreuung wird bei Bedarf vermittelt. Wir empfehlen allen Frauen eine Kontrolluntersuchung beim niedergelassenen Facharzt nach vier bis sechs Wochen. ErgebnisseIm Zeitraum von etwa 10 Monaten wurde die Behandlung bei 480 Frauen abgeschlossen. Das Alter der Frauen lag zwischen 18 und 46 Jahren, wobei die Altersgruppe zwischen 30 und 35 Jahren mit 31% am stärksten repräsentiert war. Die Gestationsdauer basierend auf dem Ultraschallbefund lag zwischen 5.1 und 7.0 SSW (Durchschnitt 6+3). Bei 65% lag eine sehr frühe Schwangerschaft vor, so daß im Ultraschall noch keine SSL darstellbar war. 157 Frauen waren Primigravidae, 319 Multigravidae, 113 hatten bereits einen (chirurgischen) Schwangerschaftsabbruch. Alle Frauen kamen zum vereinbarten 2. Termin. Fünf Frauen erschienen nicht zur vereinbarten dritten Kontrolluntersuchung, wobei wir mit einer zumindest einen telephonischen Kontakt hatten. So daß wir derzeit 475 komplette Behandlungsverläufe dokumentieren können. Bei 97,3 Prozent konnte die Behandlung ohne chirurgischen Eingriff abgeschlossen werden. Anrufe während des Nacht- und Wochenenddienstes waren selten und in keinem Fall handelte es sich um einen medizinischen Notfall. CurettageBei 13 Frauen mußten wir eine Curettage durchführen. Interessanterweise waren 7 davon unter den ersten 100 Patientinnen. Seither liegt die Rate bei 1,3 % (6 Curettagen auf 380 Behandlungen). Die Gründe dafür sind in Tabelle 4 aufgeführt. Die Curettage mußte nie im Nachtdienst oder notfallmäßig vorgenommen werden und es traten im postoperativen Verlauf keinerlei Komplikationen auf.
NebenwirkungenBlutung Bei 70% war die Blutung stärker als die gewohnte Regelblutung, bei den restlichen Frauen gleich oder schwächer. Die Blutungsstärke normalisierte sich jedoch meistens innerhalb eines Tages. Schmierblutungen bis zur Kontrolluntersuchung waren häufig und wurden gelegentlich bis zu vier Wochen beobachtet. Sie waren jedoch nie Grund einer Intervention. Schmerzen Übelkeit Andere NebenwirkungenEndometritis TherapiekontrolleDie Therapiekontrolle basiert auf dem Vergleich des Ausgangsbefundes. (Ultraschall, bzw. ß-HCG). Bei 82%, war der sonographische Befund alleine aussagekräftig, sonst zeigte der deutliche Abfall des ß-HCG-Wertes auf weniger als 20 Prozent des Ausgangswertes den Therapieerfolg an. Der Abfall erfolgt jedoch verschieden rasch, sodaß wir bei einigen Frauen weitere Blutabnahmen vornahmen, um den Therapieerfolg endgültig bestätigen zu können. Auch sollten die Frauen darauf hingewiesen werden, daß die handelsüblichen Tests gelegentlich auch noch nach einem Monat positiv sind. Über die individuellen Unterschiede im Rückgang des ß-HCGs wären weitere Untersuchungen wünschenswert. Rückmeldungen
Befragt darüber, für welche Methode sie sich entscheiden würden, für den Fall, daß sie wieder in eine derartige Situation kämen, ergab sich folgendes Bild:
Auch unter denjenigen Frauen, welche bereits einen chirurgischen Abbruch hinter sich hatten und somit über einen gewissen Vergleich verfügen, würden sich etwa 90 Prozent wieder für einen medikamentösen Abbruch entscheiden. Damit werden die bereits publizierten Erfahrungen über die psychische Belastung bestätigt. (10-17) Demnach ist eine ungewollte Schwangerschaft eine äußerst belastende Situation, für die es keine schmerzfreie Lösung gibt. Die schwere Phase der Entscheidung über das weitere Vorgehen wird meist abgelöst von einer deutlichen Erleichterung nach Beendigung des Abbruchs. Von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen, können Frauen den Abbruch einer Schwangerschaft überwinden und ihr Leben weiterführen, ohne wesentliche psychische Beeinträchtigung. Vorraussetzung dafür ist jedoch eine freie Entscheidung, sowohl bezüglich des Abbruch, als auch der Methode, das Angebot zur Beratung vor und einer Betreuung während des Abbruchs, sowie ein verständnisvolles und unterstützendes Umfeld. DiskussionWir konnten die in Frankreich nach elfjähriger Erfahrung gewonnene und international publizierte Erfahrung bestätigen, daß ein medikamentös induzierter Schwangerschaftsabbruch mit Mifepriston und Misoprostol bis zu einer Amenorrhoedauer von 49 Tagen in mehr als 95 Prozent der Fälle durchführbar ist. Bei den bei uns behandelten Frauen mußte in 13 Fällen, also in 2,7 Prozent eine Curettage durchgeführt werden. Dabei zeigte sich unter den ersten 100 behandelten Frauen eine Rate von 7 Prozent. Seither haben wir weitere 380 Frauen behandelt, wobei lediglich in 1,3 Prozent eine Curettage notwendig war. Die abnehmende Häufigkeit eines chirurgischen Eingriffs spiegelt die zunehmend bessere Interpretation des gelegentlich unklaren Ultraschallbefundes wieder. Die hohe Zufriedenheit sehen wir auch im Zusammenhang mit dem Angebot zu einer ausführlichen Beratung vor und einer Betreuung während der Behandlung, ohne daß dies einen Zwangscharakter hat. Zusammenfassend können wir sagen, daß die vorgestellte Methode für viele, wenn auch nicht für alle Frauen eine sinnvolle, überaus sichere und wirksame Alternative zum chirurgischen Schwangerschaftsabbruch ist. Die von uns behandelten Frauen legten insbesondere Wert darauf, den Abbruch so früh als möglich durchzuführen. Deshalb sollten bei der Organisation des Ablaufes unnötige administrative Hürden und andere Verzögerungen vermieden werden. Zukünftige Untersuchungen sollten noch andere ungeklärte Fragen beantworten und auf eine weitere Optimierung des Behandlungsschemas hinarbeiten, um den betroffenen Frauen mehr Autonomie zu geben, wo dies medizinisch vertretbar ist. (18-20) Weiterführende Literatur:
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Fact Sheets
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